Sierra Leone teaser

Hoffnung für Afrikas Kinder

Das Ende der Welt hat viele Namen. Zum Beispiel Mandu, ein Dorf in Sierra Leone, das auf keiner Landkarte zu finden ist. Strohgedeckte Hütten verstecken sich im wuchernden Buschland. Eine mörderisch schlechte Schlammpiste ist die einzige Verbindung zur Provinzhauptstadt Bo, 25 Meilen und vier quälende Stunden Rumpelfahrt entfernt.

Kaum zu glauben, dass in diesem vergessenen Nest die Zukunft beginnen soll. Auf einer Lichtung knattert die einzige Reismühle der Region. Junge Männer schaufeln die Ernte in die Mühle, die in zwei Arbeitsgängen das Korn entspelzt und schält; weiß rieselt es in die Säcke zum Verkauf. Einer kehrt mit dem Handbesen zusammen, was danebenfällt – kein Körnchen soll verlorengehen. Eine Tafel gibt Auskunft, was hier geschieht. Das „Agriculture Business Center“ verarbeitet landwirtschaftliche Erzeugnisse zu markttauglichen Produkten. 500 Kleinbauern haben sich zu dieser Kooperative zusammengeschlossen und profitieren vom Mehrwert ihrer Feldfrüchte. 50 Jugendliche finden dadurch Ausbildung und bezahlte Jobs. Das Projekt wird gefördert von der Initiative „Skill up!“, mit der die Bauer Media Group zusammen mit der Welthungerhilfe die Berufschancen junger Menschen in Entwicklungsländern verbessern will.

Heilung für ein verwundetes Land

Wie so oft in Afrika haben auch hier die Frauen das Heft in der Hand. Chefin des Zentrums ist Agnes Gbanie, die alle nur „Mami“ nennen. Stolz zeigt sie die zweite Errungenschaft: In einem Flachbau neben der Reismühle werden Maniok-Knollen zerschreddert, in Bottichen fermentiert, zu hellgelbem Mehl geröstet und verpackt – ein Grundnahrungsmittel in Afrika. „Wir machen auch Chips daraus, die verkaufen wir sogar in den Supermärkten der Hauptstadt!“, erklärt Mami stolz. „Endlich geht es bei uns voran. Wir sind sehr dankbar für die Hilfe aus Deutschland.“
Hilfe ist dringend nötig in dem kleinen, westafrikanischen Staat, der von keiner Plage verschont geblieben ist. 1991 entfachten machtgierige Militärs einen blutigen Bürgerkrieg, den britische Truppen erst 2002 beenden konnten. 2014 stürzte die Ebola-Epidemie das Land erneut ins Chaos. Sie gilt nach zwei Jahren und 3500 Toten als besiegt; aber noch immer lähmt die Angst vor einer Rückkehr der Seuche die Bevölkerung.

Hilfe zur Selbsthilfe: Mit guten Ideen in eine bessere Zukunft

Der Anflug auf Freetown ist spektakulär. Die Hauptstadt liegt auf einer Halbinsel an einer weiten Bucht, in die zwei mächtige Ströme münden. Ihr Delta bildet im grünen Hinterland eine Wasserwelt aus unzähligen Flusswindungen, Seen, Sümpfen, Inseln und Mangrovenwäldern. An der offenen Seeseite leuchten unberührte Sandstrände – es ist ein Bild des Friedens.
Aber der erste Eindruck trügt. In Sierra Leone regiert bittere Not. Die Infrastruktur ist zerstört, die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht: 40 Prozent der sechs Millionen Einwohner sind jünger als 14 Jahre. Den Reichtum an Bodenschätzen plündern korrupte Eliten; mit „Blutdiamanten“ wurde der Bürgerkrieg finanziert. Ausländische Konzerne rauben den rechtlosen Kleinbauern Land für Kakao- und Palmöl-Plantagen. Laut Hunger-Index 2016 gehört Sierra Leone zu den zehn am schlimmsten betroffenen Ländern der Welt.

Wohlstand aus Abfall

Da mag es wie der Tropfen auf dem heißen Stein wirken, was eine Organisation wie die Welthungerhilfe hier ausrichten kann. Raheem und Samuka sehen das allerdings anders. Sie verdanken der Unterstützung aus Deutschland ihre Zukunft. Die jungen Burschen aus Bo siegten in einem Startup-Wettbewerb mit ihrer Idee, aus Sägemehl und Tischlerabfällen Holzkohlebriketts mit hohem Brennwert herzustellen: eine segensreiche Erfindung für Afrika, wo fast ausschließlich mit Holz gefeuert und der Kontinent dafür entwaldet wird. Die beiden Jungunternehmer bauen außerdem geniale kleine Kochherde für ihre Briketts – aus Metallschrott.
Ihr Geschäft ist Teil eines Großprojekts, das von der Initiative „Skill up!“ gefördert wird. Das „Waste Management Bo City“ will das Müllproblem der 200 000-Einwohner-Stadt lösen – nicht nur mit einer inzwischen funktionierenden Müllabfuhr, sondern auch mit intelligentem Recycling. Die Parole der Aktion – „Waste to Wealth“ (Deutsch etwa: Wohlstand aus Abfall) – hat die ganze Stadt angesteckt und eine Flut pfiffiger Geschäftsideen ausgelöst. Frauen zaubern Taschen, Sandalen oder bunten Modeschmuck aus Müll zum Verkauf auf den Märkten. Männer gießen Alu-Dosen zu Kochtöpfen um oder pressen aus geschmolzenem Plastikabfall und Sand wetterfeste Pflastersteine. Kleinbauer Alfred kompostiert organischen Müll zu nährstoffreichem Humus. Als der Verkauf wegen der Skepsis der Bauern zunächst nur schleppend lief, düngte Alfred ein Musterfeld mit seiner Erde – und die Nachbarn sahen, dass seine Maniok-Knollen doppelt so dick wuchsen wie die eigenen. Seitdem blüht Alfreds Geschäft.
Das „Waste Management“ hat inzwischen zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und Bo zu einer für afrikanische Verhältnisse ungewöhnlich sauberen Großstadt gemacht: ein Vorbild für den Kontinent – „und ein gutes Beispiel dafür, was wir mit „Skill up!“ erreichen wollen“, sagt Initiatorin Gudrun Bauer beim Besuch in Bo. „Wir wollen arbeitslose Jugendliche fit machen für einen Beruf und für eine Lebensperspektive im eigenen Land!“