Uganda teaser

Neue Chancen für Ugandas Jugend

Der Angriff beginnt im Morgengrauen. Riesige Geschwader feindlicher Flugobjekte, Typ Homorochoryphus nitidulu, verdunkeln den Himmel und stürzen sich auf alles, was grünt: Heuschreckenalarm in Fort Portal, Uganda!

Entwicklungshelfer Theo Riedke beobachtet das Naturereignis mit gemischten Gefühlen. Die Grashüpfer haben auch seinen gerade vollendeten Neubau befallen, bedecken Wände und Dächer, verkleben Fenster und Türen, fressen sich durch den gepflegten Garten – und gefährden das bevorstehende Einweihungsfest mit vielen geladenen Gästen. Aber als Projektleiter der deutschen Welthungerhilfe sieht Theo Riedke auch das Positive: „In Uganda verbreiten die Heuschrecken keinen Schrecken. Sie leisten einen wertvollen Beitrag zum Kampf gegen den Hunger!“

Was in vielen Ländern Afrikas Panik auslöst, weckt in Uganda Jagdfieber und Begeisterung. „Nsenene, Nsenene!“ schreien die Kinder und rennen den Schwärmen entgegen, um die Heuschrecken („Nsenene“) von Gräsern und Büschen zu pflücken und in Plastiktüten zu stopfen. Nachts werden sie mit starken Scheinwerfern massenhaft in Fallen gelockt. Anderntags wird die Beute auf Märkten oder am Straßenrand verkauft; portioniert oder eimerweise, roh oder in Öl frittiert. Die fünf Zentimeter große afrikanische Heuschrecke gilt wegen ihrer Gefräßigkeit als biblische Plage – die pfiffigen Ugander haben sie zur Nationalspeise gemacht: ein leckerer Snack, knackig, gut gewürzt, eiweißreich und äußerst nahrhaft.

Ein Projekt der Hoffnung

Auch Theo Riedke weiß die ungewöhnliche Delikatesse längst zu schätzen. Er ist seit 2009 Jahren für die Welthungerhilfe in Ostafrika im Einsatz. Jetzt steht der 64-jährige Niedersachse vor der Pensionierung – und vor der Krönung seines Lebenswerks. Er hat in der Kleinstadt Fort Portal im Südwesten von Uganda ein modernes Ausbildungszentrum geschaffen, das arbeitslosen Jugendlichen zu einer beruflichen Perspektive verhelfen soll. Der Campus „Amaani (vorwärts) Rwenzori“ – benannt nach dem nahen Rwenzori-Gebirge, in dem die letzten Berggorillas leben – ist das Leuchtturm-Projekt einer großen Initiative, die Verlegerin Gudrun Bauer zusammen mit der Welthungerhilfe gestartet hat. „Skill up!“ will die Berufschancen junger Menschen in vier ausgewählten Entwicklungsländern nachhaltig verbessern, damit sie in der eigenen Heimat eine Existenz gründen können, statt als Armutsflüchtlinge nach Europa zu kommen.
In Uganda kann Theo Riedke die ersten Erfolge vorweisen. Kleinbauern haben gelernt, mit besseren Anbaumethoden und marktgerechten Produkten ihr Einkommen zu steigern. Auch in der Stadt haben „Azubis“ von Theo Riedke mit Läden, Werkstätten oder Friseurgeschäften Fuß gefasst. 67 junge Leute haben bisher die Ausbildung absolviert, die von der Regierung mit einem offiziellen Arbeitspass anerkannt wird: „Die meisten sind inzwischen in Lohn und Brot“, sagt Theo Riedke stolz.

Starke Frauen braucht das Land

Eine davon ist Zainabu Kabasambu (20), die ihre Kfz-Lehre als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat und von einer großen Werkstätte sofort übernommen wurde – als Frau im typischen Männerberuf, noch immer eine Seltenheit im patriarchalischen Afrika. Doch Zainabu sagt, sie habe kein Problem mit den männlichen Kollegen. Gudrun Bauer ist beeindruckt vom Selbstbewusstsein der jungen Mechanikerin. „Solche Frauen braucht Afrika!“, sagt die Verlegerin, die das Großprojekt „Skill up!“ finanziert. „Ich hoffe, dass wir damit vielen jungen Menschen eine Zukunft sichern können.“
Afrikas Götter sind dem Projekt offenbar gewogen: Am Tag der Eröffnung des Ausbildungszentrums in Fort Portal ist der Heuschrecken-Spuk komplett verschwunden. Erleichtert führt Theo Riedke die Ehrengäste durch die hübsche Anlage mit ihren Lehrwerkstätten und Schulungsräumen. Der deutsche Botschafter ist gekommen, der Vize-Premier aus Kampala, Welthungerhilfe-Vorstand Mathias Mogge aus Bonn, zahlreiche Würdenträger aus Stadt und Land. Ein katholischer und ein muslimischer Priester segnen das Werk. Gudrun Bauer hält eine bewegende Rede über ihre Vision von „Skill up!“, ehe sie das Eröffnungsband durchschneidet.
Und dann steht Zainabu am Mikrophon, im bunten Kleid statt im ölverschmierten Overall. Im Namen der Absolventen dankt sie für die Hilfe aus Deutschland und spricht allen Mädchen Mut zu, die gebotene Chance zu nutzen. Ihr Schlusswort richtet sie an die Männerwelt: „Sie werden sich noch wundern, wozu Afrikas Frauen fähig sind!“